Kater Julius …

… mein Leben auf dem Land

 

von Julius Heese

 

Ich bin Julius, Rotgetigerter  Kater mit bernsteinfarbenen Augen,  geb.16.06.2000. Die Erinnerung an mein Leben beginnt in einem kleinen Gitterkäfig in der Krankenstation des Tierheims Berlin. Ich bin stark erkältet und fühle mich von allen verlassen. Woher ich stamme und wo sich der Rest meiner Familie befindet konnte mir niemand sagen. Zurzeit bin ich 6 Wochen alt und kann mich nur mit der Katze im Nachbarkäfig unterhalten. Sie ist schon sehr alt und auch erkältet. Ihre Besitzer haben sie im Tierheim abgegeben, weil sie ihrer überdrüssig waren. Es ist schon sehr trostlos hier.

Plötzlich hörte ich ungewohnte Stimmen. Ich sprang mit allen vier Pfötchen an die Gittertür meines Käfigs und schrie pausenlos so laut ich konnte, um auf mich aufmerksam zu machen.

Tatsächlich kamen zwei fremde Personen durch die halb offene Tür, die für Besucher  gesperrt war. Mein Schreien hatte offensichtlich Erfolg. Die Besucher waren eigentlich auf  der Suche nach ihrer verschwundenen Katze Sandy.

Als sie mich sahen, waren sie so ergriffen, dass sie mir versprachen mich mitzunehmen. Das Personal machte aber zuerst massive Schwierigkeiten, weil ich noch nicht zur Vermittlung  freigegeben war. Erst nach energischen Debatten wurde Ihnen zugesichert, dass sie mich nach Wiederherstellung meiner Gesundheit abholen könnten.

Ich musste noch drei Wochen warten. Zwischendurch wurde ich immer wieder zum Tierarzt gebracht. Er verabreichte mir dann furchtbar  große Spritzen.

Dann, nachdem ich schon nicht mehr an eine Vermittlung geglaubt habe, war es endlich so weit. Ich war gerade wieder beim Tierarzt. Die Tür ging auf und die beiden Besucher sahen mich strahlend an. Ich rannte auf sie zu und schon wurde ich auf den Arm genommen. Es war ein herrliches Gefühl. Ein Gefühl der Geborgenheit. Sofort begann ich zu schnurren. Ich wusste intuitiv, dass diese Beiden meine Ersatzeltern werden.

Ich nenne sie Dicker I und Karin Glasauge ( wegen der Brille )

Vorsichtig wurde ich in ein Transportkörbchen gesetzt. Sie versprachen mir, dass ich nie wieder in einen Käfig muss.

Jetzt wurde ich zu Ihrem Auto getragen. Nach einer längeren Fahrt, die ich ungeduldig überstand ohne dass mir schlecht wurde kamen wir in meinem neuen zu Hause an.

Es war ein Haus auf dem Land mit einem wunderschönen großen Garten.

Wir gingen ins Haus und wurden dort von der hier ansässigen Katzengemeinschaft erwartet.

Es waren: Maximilian ein weißer alter Kater mit einem schwarzen Schwanz, Julius I , der mir zum verwechseln ähnlich sah, Herr Friedrich, so benannt nach der Familie die ihn nach ihrem Umzug zurück gelassen hat (  gerufen wurde er „Dicker“ ), Minka mit ihren Kindern Minka II und Micki, Valentin, ein alter kleiner Kater, der hier verletzt  aufgenommen wurde, Leonardo, ein alter Karthäuserkater und Lissy eine steinalte schwarze Katze, die sehr krank eines Tages vor der Tür lag und von Dicker I gesund gepflegt wurde.

Alle betrachteten mich neugierig aber wohlwollend.

Nach der ersten Überraschung stürzte ich mich auf sie, um zu spielen.

Da ich noch sehr klein war, konnte ich mir alles erlauben.

Der erste Tag im neuen zu Hause ging zu Ende. Ich war auch von der ganzen Aufregung todmüde aber unheimlich glücklich. Ich wurde im Schlafzimmer von Dicker I und Glasauge in ein wunderschönes weiches Körbchen gelegt und schlief auch sofort ein.

Am nächsten Morgen wurde ich von allen begrüßt. Es war ein herrliches Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Nach dem Frühstück zeigten mir alle den Garten. Besonders Dicker bemühte sich um mich. Er war ein großer dicker kampferprobter Kater, dem sich alle außer Maximilian unterordneten.

Dicker wurde, wie schon gesagt, nach dem Umzug seiner Betreuer einfach zurückgelassen. Nach dem Schock dieser unverhofften Trennung, überlegte er wie es jetzt weiter gehen soll. Er durchstreifte die Gegend und erinnerte sich nur zwei Querstraßen weiter Dicker I und Glasauge schon einmal gesehen zu haben. Er begab sich auf das Grundstück und wurde von den anderen Katzen misstrauisch betrachtet. Vorsichtig schlich er sich an den  Katzen vorbei ins Haus, weil er großen Hunger hatte. Als er es bis zu einem Futternapf geschafft hatte, stand er plötzlich Dicker I gegenüber. Er erschrak. Weil er glaubte sich verteidigen zu müssen, schlug er mit seinen großen Tatzen nach Dicker I. Dieser ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Er redete ruhig auf Dicker ein, weil er wusste, dass der seinen Trennungsschmerz erst verarbeiten musste.

So ging das mehrere Wochen. Als Dicker die Trennung überwunden hatte wurde er langsam immer zutraulicher.

Nach weiteren Wochen hatten sich Dicker I und Dicker so aneinander gewöhnt, dass sich Dicker richtig zu Hause fühlte. Er entschied sich für immer hier zu bleiben. Abends, wenn Dicker mich zu meinem Körbchen    begleitet hatte ging er zu Dicker I auf das Sofa. Dort kuschelte aber schon immer der alte Maximilian bei Dicker I. Also legte er sich mit einem kleinen Abstand daneben.

Ich schlief wohlbehütet ein und träumte von den anderen Katzen und meinem schönen zu Hause. So verging einige Zeit, bis Dicker mir für den nächsten Tag eine Überraschung versprach.

Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, wollte Dicker mir das richtige Jagen beibringen. Wir hatten ja bisher immer nur geübt. Es war mittlerweile auch Herbst geworden und die Gegend war übersichtlicher, weil das Gras auf den Wiesen hinter unserem Grundstück nicht mehr so hoch war.

Dicker zeigte mir als erstes wie man die Straße die zwischen unserem Grundstück und den Wiesen lag überquerte. Sie ist zwar nicht allzu stark befahren, hat aber schon ein Katzenopfer gefordert. Es war Nachbars  Kater Mohrchen.

Nachdem wir die Straße über überwunden hatten, kamen wir zu den Wiesen. Wir sprangen über einen kleinen Bach und hatten dann das Jagdrevier vor uns.

Das ganze Unternehmen erschien mir  recht unheimlich, weil wir doch schon ein ganzes Stück von zu Hause fort waren. Dicker nahm mir jedoch meine Angst und zeigte mir, wie man sich auf einer Wiese unsichtbar macht. Wir mussten uns eine ganze Zeit ruhig verhalten, was mir zuerst noch schwer fiel. Dann plötzlich gab mir Dicker ein Zeichen. Er hatte ein Geräusch gehört. Jetzt hörte ich es auch .Es war eine Maus. Mich hatte die Jagdlust befallen. Ich konnte nicht länger stillsitzen und sprang los. Natürlich war ich viel zu laut. Die Maus hatte mich rechtzeitig gehört und sich in Sicherheit gebracht.

Dicker versuchte es mit einer Engelsgeduld immer wieder aber wir hatten keinen Erfolg weil ich mich zu laut bewegte. Es war schon Mittag und wir bekamen Hunger. Deshalb machten wir uns auf den Rückweg.

Zu Hause angekommen machten alle betretene Gesichter.

Maximilian war krank. Dicker I fuhr mit ihm zum Tierarzt. Diesen Tierarzt kannten Dicker I und Glasauge schon lange Jahre. Er besaß eine seltene fast schon an Wunder grenzende Gabe die von Zeit zu Zeit kranken oder verletzten Katzen wieder zu heilen.

Als er Maximilian untersuchte, stellte er eine Kreislaufschwäche, bedingt durch das Alter, fest. Er gab ihm eine stärkende Spritze, konnte aber sonst nichts für ihn tun.

Dicker I fuhr mit Maximilian nach Hause. Auf unsere besorgten Fragen sagte er nur Maximilian wird bald in eine bessere Welt gehen. Drei Tage später ist Maximilian dann wirklich gegangen.

Alle waren maßlos traurig. Maximilian bekam eine Grabstelle im Vorgarten des Grundstücks. Er ist heute noch in unseren Herzen.

Dicker erzählte mir, dass Dicker I  Maximilian als er ein halbes Jahr alt war von einer Tiersammelstelle bekommen hat. Maximilian hat dann achtzehn Jahre bei Dicker I und Glasauge gelebt. Er hat sogar Urlaubsfahrten mit ihnen unternommen. Während seiner letzten zwei Lebensjahre war Maximilian taub .Dicker I hat deshalb besonders für ihn gesorgt.

An diesem Abend gingen alle traurig zu ihren Schlafstellen. Wir konnten noch lange nicht einschlafen.

Am nächsten Morgen war nichts mehr wie es war. Alle waren sehr mitgenommen .Sogar das leckere Frühstück konnte uns nicht aufheitern.

 

Langsam wurde es Spätherbst. Dicker war mit einer Engelsgeduld weiter mit mir auf den Wiesen unterwegs.

Endlich hatten wir Glück. Dicht neben uns raschelte es. Ich sprang zu und hatte tatsächlich meine erste kleine Maus zwischen den Vorderpfoten Die Maus quiekte laut und erschreckte mich damit. Ich ließ sie los und weg war sie. Aber immerhin, ich hatte meine erste Maus gefangen.

Als wir wieder zu Hause waren erzählte Dicker den anderen aufgeregt von meinem Fortschritt. In diesem Jahr hatte ich aber kein Glück mehr. Dicker nahm jetzt die Stelle von Maximilian auf dem Sofa ein. Er kuschelte mit Dicker I .

 

Leider ging der Spätherbst sehr traurig zu Ende.

Zuerst wurde Julius I krank. Er bekam eine schwere Bronchitis, die altersbedingt nicht mehr zu heilen war.

Glasauge hat Julius I in einer Tierhandlung gekauft. Er war sechs Wochen alt. Zusammen mit Maximilan, mit dem er sich sehr gut verstand, hat er sechzehn herrliche Jahre bei Glasauge und Dicker I  gelebt. Auch er wurde auf Urlaubsreisen mitgenommen. Er war der erklärte Liebling von Glasauge.

Beim nächsten Tierarztbesuch hatte sich der Gesundheitszustand von Julius I dramatisch verschlechtert. Er bekam keine Luft mehr. Dem Tierarzt blieb keine Alternative. Er half Julius I auf den Weg in eine bessere Welt.

Als Dicker I mit dieser Nachricht nach Hause kam, waren alle wieder sehr traurig. Besonders Glasauge.

 

Jetzt bekam auch noch Lissy altersbedingte Gesundheitsprobleme. Lissy lag eines Morgens sehr krank und schwach vor der Tür von Dicker I und Glasauge. Als wenn sich herumgesprochen hätte, dass hier Tieren geholfen wird. Dicker I fuhr sofort mit ihr zum Tierarzt. Nach mehrfachen Tierarztbesuchen wurde sie wieder völlig gesund. Lissy hat ein ruhiges anspruchloses Leben geführt. Sie lebte noch drei Jahre bei Dicker und Glasauge. So ruhig wie Lissy kam ist sie auch für immer eingeschlafen.

 

Als wäre das nicht genug, bekam auch noch Minka altersbedingte Probleme.

 So lange sie bei Dicker I und Glasauge lebte, ließ sie sich nicht anfassen wodurch Hilfeversuche natürlich erschwert wurden.

Minka kam eines Tages über ein Nachbargrundstück, scheu und misstrauisch Katzen und Menschen gegenüber, dem Haus von Dicker I näher. Das Haus hat drei Katzenklappen, die ständig geöffnet waren. Vermutlich hat sie sich nachts hineingeschlichen, um an die Futternäpfe zu kommen. Nach einigen Wochen hatte sie dann ihre Scheu teilweise überwunden und kam auch tagsüber. Sie hat sich einen Platz in der Garage gesucht und blieb dann ständig.

Nach einiger Zeit blieb sie mehrere Tage weg. Als sie dann zurück kam hatte sie eine 10 cm lange vereiterte Wunde am Bauch. Da sie niemanden an sich heran ließ, musste der Tierarzt kommen. Er schaffte es auch unter großen Mühen die Katze einzufangen um sie mit in seine Praxis zu nehmen. Dort hat er sie erfolgreich operiert.

Einige Zeit später wurde Minka von Tag zu Tag dicker. Sie sah Mutterfreuden entgegen. Alle freuten sich mit ihr. Sie hat sich überall im Haus umgesehen, um einen Platz für die Geburt ihrer Kinder zu finden.

Eines morgens als Dicker I gerade das Haus verlassen wollte um sich zu seiner Arbeitsstelle zu begeben, platzte

der Minka in der Küche die Fruchtblase. Da Dicker I wie gesagt das Haus verlassen musste, wollte Dicker sich um Minka kümmern. Sie lehnte aber jede Hilfe ab und verschwand mit unbekanntem Ziel.

Erst nach sechs Wochen in einer kalten Regennacht kam Minka zurück.

Weil Dicker I in dieser Nacht schlecht schlafen konnte, lief er im Haus umher. Als er die Durchgangstür zur Garage öffnete, sah er plötzlich Minka mit zwei klatschnassen schwarzen kleinen Katzenmädchen vor der Stufe sitzen. Er weckte sofort Glasauge. Durch den Lärm waren natürlich auch alle anderen Katzen wach geworden.

Jeder griff sich sofort ein Kätzchen um es trocken zu reiben. Sogar Minka ließ sich kurzzeitig auch trocknen.

Sie wurden natürlich von allen freudig begrüßt. Für Minka und ihre Kinder wurde ein besonders schönes Plätzchen hergerichtet. Die Kinder wurden Minka II und Micki genannt.

Einige Zeit später hat Minka sich dann auch in eine bessere Welt begeben…

 Sie hat sieben Jahre bei Dicker I und Glasauge gelebt.

 

Jetzt muss ich aber erst einmal von meinen Erlebnissen weiter erzählen.

Nach dem langen traurigen Herbst wurde es immer kälter. Der Winter stand vor der Tür. Dicker und ich fanden auch keine Mäuse mehr. Nur Vögel. Aber Dicker sagt das Dicker I es nicht mag wenn wir Vögel fangen. Was soll’s, die sind ja sowieso alle zu schnell. Noch jedenfalls.

Eines Morgens hatte sich die Welt verändert. Es war alles weiß. Dicker sagt das ist Schnee.

Nach dem Frühstück hatte ich es eilig hinaus zu kommen. Es war zwar kalt, aber ein lustiges Gefühl durch den Schnee zu laufen. So weich wie Watte. Und die Spuren. Man muss nicht mehr angestrengt schnüffeln. Man sieht wer durch den Garten gelaufen ist. Leider

blieb das nicht lange so. Es wurde etwas wärmer, der Schnee taute und es regnete tagelang. Also musste ich im Haus spielen.

Alles was sich bewegte wurde an einen anderen Platz befördert. Machte das keinen Spaß mehr, mussten die anderen Katzen herhalten. Hatten die keine Lust mehr musste Glasauge ran. Sie war ja Hausfrau und hatte Zeit.

Und außerdem war ich jetzt ihr Lieblingskater.

 

So verging Woche für Woche. Draußen wurde es langsam wärmer. Die Bäume waren voller Blüten und das Gras begann langsam zu wachsen.

Dicker sagte es wird Zeit unseren Wiesen einen Besuch abzustatten. Wir begaben uns also zu unserem alten Jagdgebiet. Mit meinem vorsichtigen Überqueren der Straße war Dicker schon zufrieden. Mit den Mäusen war noch nichts. Vielleicht lag es auch an dem riesigen schwarz weißen Vogel der vor uns auf der Wiese hin und her lief. Dicker sagt das wäre ein Storch, der sein Nest im Nachbarort hat. Ich meinte er könnte ja auch dort Mäuse suchen.

Mit der Zeit wurde es noch wärmer und die Mäuse waren wieder zahlreicher unterwegs. Auch wir waren wieder unterwegs.

Plötzlich gab Dicker mir ein Zeichen. Wir blieben stehen und machten uns zum Angriff bereit. Gleich mehrere Mäuse kreuzten unseren Weg. Ich rief das von Dicker erlernte in mein Gedächtnis, machte mich ganz klein und schlich geräuschlos näher. Als ich glaubte die richtige Entfernung erreicht zu haben, sprang ich los. Als ich aufsetzte hatte ich die Maus genau zwischen meinen Vorderpfoten und hielt sie dieses Mal auch fest. Dicker war ganz begeistert und sagte wir müssen sie zu Hause allen zeigen.

Ich nahm die Maus zwischen meine Zähne und rannte so schnell ich konnte nach Hause. Ich traf zuerst Dicker I .

Er war auch ganz begeistert,  lobte und streichelte mich und sagte : „Julius, endlich bist du ein richtiger Kater“.

Das ganze war auch Glasauge nicht unbemerkt geblieben.

Sie schrie : „ Juuuulius - iiigitt, sofort bringst du die Maus wieder raus“.

Stolz zeigte ich aber den Fang erst den anderen.

Diesen Erfolg haben Dicker und ich noch oft wiederholt.

 

 

Inzwischen hatten wir Sommer. Das Mäusefangen klappte immer besser. Hin und wieder hatte ich auch schon mal einen kleinen Vogel mit einer Maus verwechselt. Ich war jetzt schon viel schneller als Dicker. Das mit dem Vogel haben wir natürlich nicht weiter erzählt um keinen Ärger mit Dicker I zu bekommen. War eben ein kleiner Betriebsunfall.

Die Zeit verging. Wir hatten den 15. Juni. Nach einem erfolgreichen Jagdtag legte ich mich todmüde ins Bett.

Am nächsten Morgen wurde ich durch Stimmengewirr wach.

Alle standen um mein Bett herum.

Ich hatte meinen 1. Geburtstag.

Jeder hatte ein Geschenk für mich und wollte mich drücken. Es herrschte große Freude. Wir hatten den ganzen Tag damit zu tun alle Geschenke auszuprobieren.

 

Es vergingen einige Wochen mit viel Spiel und Jagd.

Dann kündigte sich neues Unheil an. Leonardo unser zurückhaltender Karthäuser hatte starke Schmerzen im Unterkiefer. Er konnte nichts mehr fressen.

Dicker I fuhr mit ihm sofort zum Tierarzt. Der stellte eine starke Vereiterung fest, die früher nicht zu bemerken war. Leonardo musste sofort operiert werden. Es war eine sehr schwere Operation.

Leonardo erwachte nicht mehr aus der Narkose.

Und wieder waren alle sehr traurig. Auch Leo bekam einen Platz im sonnigen Vorgarten.

 

Jetzt begann wieder die Urlaubszeit. Auch unser Nachbar machte sein Auto urlaubsfertig. Zufällig war ich auf seinem Grundstück und beobachtete sein Treiben. Er holte eine Kofferbrücke für seinen Pkw aus einem alten Schuppen, den ich noch nicht von innen kannte. In einem unbeobachteten Augenblick schlüpfte ich durch die offene Tür und begann das Innere des Schuppens zu untersuchen. Es gab viele interessante Dinge. Erst als es plötzlich dunkel wurde, bemerkte ich dass der Nachbar die Tür von außen geschlossen hatte. Nach dem ersten Schreck versuchte ich mich bemerkbar zu machen. Niemand hörte mich. Ich hörte das Auto des Nachbarn wegfahren und hatte das schlechte Gefühl, dass ich hier länger eingesperrt sein würde. Angst überkam mich.

Ich hatte weder etwas zu essen noch zu trinken. Und dann die nicht enden wollende Dunkelheit.

Wie Dicker mir später erzählte waren zu Hause alle aufgeregt und suchten mich überall vergeblich.

Dicker I druckte Plakate auf denen er auf Hinweisen nach meinem Verbleib sogar eine Belohnung versprach.

Diese Plakate hing er an allen Bäumen in der Gegend und im Supermarkt auf. Natürlich konnte mich niemand gesehen haben.

Glücklicher Weise kam unser Nachbar schon nach fünf Tagen, die mir allerdings wie eine Ewigkeit vorkamen, zurück. Er öffnete auch gleich die Schuppentür.

Sofort kroch ich mehr als ich lief, weil meine Kräfte mich fast verlassen hatten, nach Hause.

Ich stürzte mich auf Trink- und Futternäpfe und leerte alles Verfügbare. War das ein schönes Gefühl wieder zu Hause zu sein.

Dann entdeckten mich auch meine Mitbewohner. Alle waren erleichtert mich wieder zu sehen. Dicker hatte sich schon Vorwürfe gemacht mich auf solche Gefahren nicht hingewiesen zu haben.

Na ja, ich hatte wieder etwas dazu gelernt.

Ich benötigte zwei Tage um wieder zu Kräften zu kommen. Schon packte mich wieder das Jagdfieber. Dicker ließ mich zum ersten Mal allein auf Mäusejagd gehen. Ich vergaß zu erwähnen, dass ich auf der anderen Straßenseite noch ein Grundstück überqueren musste um zu den Wiesen zu gelangen. Dort wohnte die Katze Paulinchen. Sie war sehr schön. Aber – sie hatte Haare auf den Zähnen. Solange ich mit Dicker unterwegs war, hatte ich sie gar nicht bemerkt. Nun aber, als sie mich allein sah, wollte sie mir das bisherige Wegerecht streitig machen. Sie fauchte mich furchterregend an, und gab mir zu verstehen, dass sie auf ihrem Territorium keine anderen Katzen mag. Ich musste aber über ihr Grundstück, weil auf dem Nachbargrundstück ein kauziger Typ wohnte, der überhaupt keine Tiere mochte und alles jagte, was in seine Nähe kam. Widerwillig ließ sie mich dann doch ziehen.

Kaum auf der Wiese angekommen, hatte ich auch schon die erste Maus gefangen. Ich stolperte fast über sie. Mit der Maus ging ich zu Paulinchen zurück und legte sie ihr zu Füßen. Sie war sehr erfreut und gestattete mir fortan den Weg über ihr Grundstück zu benutzen.

In der nächsten Zeit fing ich fast jeden Tag eine Maus und brachte sie regelmäßig zu Dicker I, der sich immer sehr freute und mich seinen besten Mäusefänger nannte. Zwischendurch brachte ich auch ab und an eine Maus zu Paulinchen um sie weiterhin milde zu stimmen.

Einmal habe ich auch ein Entenkücken gefangen und es gleich verspeist, wegen Dicker I.

An unser Grundstück grenzen fünf Nachbargrundstücke. Auf einem der Grundstücke, es ist das mit dem tödlich verunglückten Kater Mohrchen, stehen hohe Waldbäume auf denen Krähen brüten. Als ich zur Abwechslung mal dieses Grundstück gelangweilt durchstreifte, griff mich plötzlich eine Krähe an. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Sie flog plötzlich mit ihren riesigen Flügeln laut schreiend dicht über mir. Ich erschreckte mich so sehr, dass ich so schnell ich konnte nach Hause rannte.

 

 

Zur Abwechslung stattete ich dem Grundstück mit dem alten Schuppen wieder einen Besuch ab. Es wurde erzählt, die Bewohner hätten sich einen Kater aus dem Tierheim geholt. Sie nannten ihn Picasso, weil er mit seiner schwarz weißen Zeichnung einem Bild von Picasso glich.

Tatsächlich stand ich ihm plötzlich gegenüber. Er sah sehr lustig aus. War es aber nicht. Er glaubte mich wegjagen zu müssen. Ich tat ihm den Gefallen und ging. Aber nur weil mit ihm nicht zu reden war. Außerdem war er viel größer und kompakter als ich. Er kam hinter mir her auf mein Grundstück wo er auch gleich auf Dicker traf. Der verwies ihn auch gleich lautstark des Grundstücks und erklärte ihm unmissverständlich, dass ich unter seinem Schutz stand.

Damit war die Angelegenheit zunächst geregelt.

Ich habe dann erst einmal das danebenliegende Grundstück inspiziert. Dort wohnt eine sehr alte Dame. Hier gibt es nichts aufregendes, außer das sie keine Katzen mag. Auf dem Grundstück standen viele kleine Büsche mit noch mehr feinen trockenen Sand darunter. Wie geschaffen sein Geschäft darunter zu verrichten. Was wir auch ab und an taten. Manchmal schrie die liebe alte Dame dann über den Zaun damit Dicker I es hören sollte: „wieder diese sch… Katzen“.

Leider ging der Sommer zu Ende. Es wurde wieder kühler. Wir wunderten uns warum Picasso spät abends immer auf unserem Grundstück herumschlich.

Im Spätherbst, als es schon empfindlich kalt war, bemerkten wir Picasso eines Nachts in unserer Garage.

Als Dicker Picasso zur Rede stellte, sagte Picasso er würde beim Nachbarn nicht ins Haus gelassen. Dicker war daraufhin damit einverstanden, dass Picasso während der kalten Jahreszeit bei uns schläft. Dicker I sagte es käme ihm auf einen mehr oder weniger nicht an. Wir fressen ihm sowieso schon die Haare vom Kopf. Was ich zuerst nicht verstand. Aber Geheimratsecken hat er ja schon.

Picasso war sichtlich erleichtert und kam dann auch jeden Abend zum schlafen. Natürlich nahm er vorher immer eine Abendmahlzeit ein, weil das vom Nachbarn vor die Tür gestellte Futter gefroren war.

Tag für Tag fühlte Picasso sich heimischer. Er lief im ganzen Haus umher, öffnete Schranktüren und Schubladen.

Sogar Zimmertüren öffnete er indem er an die Türklinke sprang und diese hinunterdrückte.

Alle waren erleichtert als der Winter vorüber war und Picasso nicht mehr so oft kam. Aber helfen mussten wir ihm ja schon. Dann eines Tages war Picasso spurlos verschwunden.

 

Nun ging alles wieder von vorn los. Mäuse fangen, manchmal sogar eine Ratte, heimlich ein Vögelchen, ich weiss gar nicht was Dicker I immer hat. Vogel ist eine Delikatesse. Er isst ja auch Hühner.

Nur über Dicker mache ich mir Sorgen. Aber er sagt es ist das Alter. Er kann sich nicht mehr so schnell bewegen und liegt immer öfter in der Sonne und hat keinen rechten Appetit mehr. Dicker I war mit ihm schon beim Tierarzt. Der konnte aber auch nicht recht weiterhelfen. Er gibt Dicker I ein Stärkungsmittel mit und sagt Dicker wird uns wohl auch bald verlassen. Als Dicker I mit dieser Mitteilung nach Hause kam waren alle sehr betroffen.

Schon nach ein paar Tagen ging es Dicker immer schlechter. Dicker I ließ Dicker nicht mehr aus den Augen. Er kümmerte sich pausenlos um ihn. Dann eines Abends war es soweit. Dicker wollte nicht mehr. Dicker I hielt Dicker in seinen Armen bis er sein Leben beendete.

Für mich brach eine Welt zusammen. Mein liebster Freund war nicht mehr da.

Auch Dicker I war unendlich traurig.

Natürlich waren auch alle anderen traurig.

Dicker und Maximilian werden immer in unseren Herzen sein.

 

Es dauerte noch lange bis wir zum normalen Tagesgeschehen übergehen konnten. Zu oft mussten wir noch an Dicker denken.

Aber es musste ja weitergehen.

Es wird gesagt Katzen wären Einzelgänger. Nicht so bei uns. Wir waren eine große Familie, die von Dicker zusammengehalten und geschützt Wurde.

Diese Aufgabe musste ich jetzt übernehmen, weil ich in der Zwischenzeit groß und Muskelbepackt war, wie Dicker I mich immer beschrieb. Nicht groß und dick wie Glasauge sagte.

Außerdem hatte mich Dicker rechtzeitig auf eventuelle Kämpfe mit Revierfremden vorbereitet.

Leider waren von unserer ehemaligen Großfamilie nur noch Minka, Micki, der kleine alte Tino und ich übrig.

Tatsächlich kam nach ein paar Tagen unerwünscht ein riesiger schwarzer Kater, der einige Grundstücke weiter wohnt, vorbei.

Weil er sehr aggressiv war, konnte ich seine Anwesenheit unmöglich dulden. Ich schrie ihn aus Leibeskräften an, was ihn aber nicht sonderlich bewegte. Im Gegenteil, er schrie zurück und wollte mich angreifen. Durch das Geschrei wurde Dicker I auf das Geschehen aufmerksam und verjagte den Schwarzen erst einmal.

Zunächst kam er dann fast jeden Morgen vorbei.

Da Dicker I und ich jeden Morgen in aller Herrgottsfrühe joggen gehen, erschreckte er immer und verließ eilig unser Grundstück. Nach einiger Zeit änderte er aber seine Taktik und kam tagsüber vorbei, wenn Dicker I nicht zu Hause war.

Wir schrieen uns dann wie gehabt an bis der Schwarze dann endlich mein Grundstück verließ.

Ab und an schlugen wir auch heftig auf uns ein, bis die Fetzen flogen.

Was hilft’s, ich muss ja mein Revier verteidigen. Es blieben meist auch immer mehr schwarze als rote Haare zurück.

Bis auf einmal. Da hat er mir doch ein ganz schönes Stück Fell mit Haut herausgerissen.

Dicker I sagte es sei so schlimm, dass wir zum Tierarzt müssen. Ganz so schlimm war es dann aber doch nicht. Der Tierarzt strich nur etwas Salbe auf die Wunde und gab mir eine Spritze.

Von jetzt an kam der Schwarze nur noch selten.

 

Wieder verging ein Jahr.

Es passierte nichts besonders aufregendes. Nur der Nachbar mit dem verschwundenen Picasso hat wieder ein neues Kätzchen und lässt auch sie nicht ins Haus. Sie wollte auch schon mal bei uns nachschauen, aber Minka und Micki lassen sie nicht aufs Gelände.

 

Das Frühjahr begann wieder traurig. Unser Valentin machte uns Sorgen.

Tino kam eines Tages sehr scheu über ein Nachbargrundstück. Er traute sich erst am dritten Tag zu uns. Nachdem er eine vor die Tür gestellte Futterschale leerte, zog er sich erst einmal wieder zurück.

Das ging mehrere Tage so, bis er allen Mut zusammen nahm und ins Haus kam. Er sah sich überall um und zog sich dann wieder zurück. Nach ein paar weiteren Tagen wurde er dann zutraulicher und blieb. Dicker I konnte jetzt mit ihm zum Tierarzt zur Untersuchung fahren.

Der stellte zwei vereiterte Zähne fest, die er ihm auch gleich entfernte. Nach dem Erwachen aus der Narkose fühlte Tino sich schon wie zu Hause. E war eigentlich sehr  lieb und sanft.

Tino fühlte sich mit der Zeit stark zu Dicker I hingezogen. Abends kuschelte er zusammen mit Dicker auf dem Sofa bei Dicker I . Tino und Dicker verstanden sich auch gut. Eigentlich verstand er sich mit allen gut. Wenn der Platz auf dem Sofa zu eng wurde, legte Tino sich auf den Rücken von Dicker I .

Später, als Dicker nicht mehr bei uns war, half er mir trotz seiner kleinen Körpergröße und seines hohen Alters, bei der Verteidigung unseres Territoriums gegen den dicken schwarzen Kater.

Tino bekam dann eine schwere Bronchitis und hat sein Leben kurz danach beendet.

Er lebte zehn Jahre bei Dicker I und Glasauge.

 

Im Frühsommer kam dann ein großer dünner Graugetigerter  alter Kater zu uns. Er war sehr aggressiv und wollte sich nicht bei uns einordnen. Alle hat er gejagt. Sogar nach Dicker I hat er geschlagen.

In der ersten Zeit hat er nur seinen Hunger gestillt und ist dann wieder verschwunden. Er wurde Herr Fellmann genannt.

Als der Sommer langsam zu Ende ging, hat sich Herr Fellmann entschlossen, ständig bei uns zu bleiben.

Dicker I und Glasauge haben ja auch alles aufgenommen, was so vorbeikam.

Herr Fellmann wurde auch etwas ruhiger. Er nahm einen Platz im Wohnzimmer in Beschlag. Dicker I konnte ihn jetzt auch bedingt streicheln. Wenn es Herrn Fellmann zu viel wurde, biss er auch ohne Vorwarnung schon mal in die Hand von Dicker I .

Herr Fellmann blieb dann bis zum nächsten Frühjahr und verschwand spurlos.

Endlich ist wieder Ruhe bei uns eingekehrt.

Lange währte die Ruhe allerdings nicht.

Unsere Nachbarin, die nur ein Sommerhäuschen auf dem Grundstück hat, fragte Glasauge eines Tages ob sie vielleicht einen freilaufenden Kater aus der Stadt aufnehmen könnte. Die Nachbarin ging in den Ruhestand und sorgte sich um diesen Kater, weil er bisher immer zu ihrer Arbeitsstelle kam und dort versorgt wurde.

Also hatten wir wieder Zuwachs. Und was für einen.

Der Kater, er wurde Kenny genannt, sollte die ersten Tage im Haus verbringen, um sich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Diese Tage waren sehr turbulent. Kenny fühlte sich seiner Freiheit beraubt und tobte wie wild durch die Gegend. Dabei ging einiges zu Bruch. Da er bisher keine Katzentoilette kannte, verrichtete er seine Geschäfte überall. Ich konnte zunächst überhaupt nicht mit ihm reden. Dicker I und Glasauge schafften es dann irgendwann ihn halbwegs zu beruhigen. Er wurde hinausgelassen. Nachdem er die nähere Umgebung inspiziert hatte, beruhigte er sich zusehends. Jetzt versuchte er auch schon uns zu jagen. Dummerweise erschreckten wir uns in der ersten Zeit oft und rannten weg. Man konnte auch nicht mit ihm reden. Nur Menschen gegenüber war er sehr lieb und sanft.

Nach einigen Wochen hatte Micki genug von der Jagerei. Sie stellte sich ihm entgegen und verabreichte ihm einige Tatzenhiebe. Fortan kehrte mehr oder weniger Ruhe ein. Wir konnten uns um wichtigere Angelegenheiten kümmern.

Nun begleiteten wir alle vier Dicker I morgens um halb sechs eine halbe Stunde beim Joggen. Kenny besteigt dabei fast alle Bäume an denen wir vorbeikommen. Nur so aus Übermut. Auf dem Rückweg bleibe ich oft auf den Wiesen zurück, um nach dem Rechten zu sehen.

Eines Morgens erschraken wir alle sehr. Ein großes dickes Wildschwein hatte sich auf unser Grundstück verirrt und fand keinen Ausgang. Es hatte einigen Schaden angerichtet. Dicker I öffnete das Eingangstor. Dann jagten wir es alle gemeinsam hinaus und gingen joggen.

Als wir zurück kamen stolperte ich fast über ein winzig kleines rothaariges Tier mit einem langen Schwanz. Es lag reglos an unserer Gartentür. Ich überlegte noch, ob es vielleicht schmecken würde, als Dicker I mir die Entscheidung abnahm. Er nahm es hoch und sagte es wäre ein Eichhörnchen. Dann hat er es alle zwei Stunden mit Katzenmilch gefüttert und im Badezimmer einquartiert. Für uns war das Bad ab sofort gesperrt.

Das Eichhörnchen wurde zusehends größer  und brachte das Bad erheblich durcheinander. Dicker I lief schon manchmal wenn wir Katzen nicht zu sehen waren, mit ihm auf der Schulter herum.

Da wir alle aber wild darauf waren es zu fangen, setzte Dicker I es auf einem Waldgrundstück in der Nähe aus.

Es kam noch manchmal zurück, war aber immer sehr vorsichtig um nicht mit uns aneinander zu geraten.

Die nächste Zeit verging langweilig. Es passierte nichts Besonderes mehr.

Vielleicht kommt wieder mal eine heimatlose Katze vorbei……….